02/07/2024 0 Kommentare
Ein Glaubensbekenntnis von Dietrich Bonhoeffer
Ein Glaubensbekenntnis von Dietrich Bonhoeffer
# Spirituelles

Ein Glaubensbekenntnis von Dietrich Bonhoeffer
Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will.
Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen.
Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern auf ihn allein verlassen.
In solchen Zeiten müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.
Ich glaube, dass unsere Fehler und Irtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unsere vermeintlichen Guttaten.
Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.
Dietrich Bonhoeffer
Von der Aktualität eines Bekenntnisses aus dem 20. Jahrhundert
In der ersten Pandemie-Zeit ab dem 10. Mai 2020, als wir wieder Präsenz-Gottesdienste feiern durften, haben wir regelmäßig das bonhoeffersche „Glaubensbekenntnis“ gesprochen. In der Dietrich-Bonhoeffer Gemeinde in Berlin-Lankwitz wurde das zur Zeit meines dortigen Vikariats in den Jahren 1985/86 auch getan. Deswegen ist es mir in der akuten Corona-Krise wieder eingefallen: „Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft gibt, wie wir brauchen. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Aber er gibt sie nicht im Voraus.“
„Glaubensbekenntnis“ setze ich in Anführungsstriche, weil Bonhoeffer selbst diese Sätze nicht so bezeichnet hat. Er nannte sie „Einige Sätze über das Walten Gottes in der Geschichte“. Sie sind ein Teil einer kurzen Ausarbeitung, die ich Ihnen und euch allen sehr zu lesen empfehle. Wenn Sie bei Google „Bonhoeffer: Nach 10 Jahren“ eingeben, kommen Sie auf diese etwa 10-seitige Schrift. Er hat sie Ende 1942 geschrieben, zum Jahresende, für seine Freunde: Nachdenken über 10 Jahre Widerstand gegen die Hitler-Regierung. Kurze Zeit später wurde er verhaftet, das Manuskript blieb versteckt und überdauerte den Krieg.
Liest man den Text heute, denkt man, er sei vor kurzer Zeit geschrieben worden. Erfahrungsgesättigte Sätze voller Aufrichtigkeit. Sie wirken noch stärker, wenn man Bonhoeffers Geschichte kennt. Er war ein tatsächlich außergewöhnlich kluger Mensch. In seiner Haft ab März 1943 wurde er von Manfred Roeder verhört, einem außerordentlich erfahrenen und nationalsozialistisch überzeugten Spezialisten und es gelang Bonhoeffer, Roeder von seiner Verwicklung in die Verschwörung des 20 Juli 1944 abzulenken, bis sie dann scheiterte und im September 1944 in Zossen belastende Akten gefunden wurden. Am 9. April 1945 wurde er gehängt, sein Bruder Klaus noch am 23. April (!) 1945 in Berlin erschossen.
Vom Vertrauen in Gottes gute Macht
„Ich glaube“, so schrieb er für seine Freunde, „dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind und dass es Gott nicht schwerer fällt, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten.“
„Sind wir noch brauchbar?“ so fragt er nachdenklich im Vorblick auf das nach-hitlerische Deutschland.
Und, das finde ich sehr nachdenkenswert, er schreibt über die Gefährlichkeit der Dummheit. Die Dummheit derjenigen, die das Mörderische der Hitler-Regierung nicht sehen wollten oder nicht sehen konnten. Das kann man übertragen: Die Dummheit derjenigen, die die Trumpschen Lügen vom Wahlbetrug nicht durchschauen wollen oder können. Oder die Dummheit derjenigen, die hierzulande ohne Gefahr für sich selbst die Manipulationen der in Moskau Regierenden über angeblichen ukrainischen Völkermord der Kiewer Nazi-Schergen auf der Krim oder im Donbass nachplappern.
Gott gibt Widerstandskraft. Soviel wir brauchen. Aber nicht im Voraus. Und er braucht dafür Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Das sind Sätze, die nach 10 Jahren harter Erfahrung geschrieben wurden. Deswegen sind sie auch heute noch so kraftvoll. Gott braucht den Menschen. Das ist modern gedacht. Diese Sätze sind Ermutigungssätze. Sie gelten zum Beispiel auch für die Klimakrise, sofern sie (zutreffend!) als „Notlage“ erkannt wird.
Die Mitglieder von „Extinction Rebellion“ etwa, diese radikalen Klima-Aktivisten, könnten mit Recht diese bonhoefferschen Sätze als Hoffnungs-Sätze deuten: Immerhin endet Bonhoeffers Text damit, dass er schreibt, es gehe nicht darum, sich irgendwie aus der Affäre zu ziehen, um durchzukommen, sondern darum, das Leben einer kommenden Generation zu ermöglichen.
Pfarrer Cord Hasselblatt
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